Die Heimholung der Bilder

 

Corinna Mayer hat ihrem kleinen Bildband einen poetischen, ja romantischen Titel “Heimreise in die Fremde“ und einen, den Begriff des Fremden reflektierenden, vielleicht auch klärenden Untertitel “Wenn das Bekannte fremd wird und das Fremde nicht mehr fremd ist“ hinzugefügt. Sie spricht also einerseits von der Erfahrung, der Entfremdung (in ihrem Leben) und andererseits von den Möglichkeiten eine mit ihrem Leben vordergründig nicht in Verbindung stehenden Bildwelt, in erster Linie sind es Photographien privat zu vereinnahmen; nennen wir es einmal sich ihnen durch Verwandlung anzunähern. Die Photographien sind durch ihre, auf Grund das Mediums garantierte Wirklichkeitsnähe das ideale Material einer Aneignung in der Zeichnung, im farbigen Bild aber auch im fast lebensgroßen Fresko. Sie drückt ihren Vorbildern nicht nur ihren unverkennbaren Stil auf; die auftretenden Figuren ähneln sich und möglicherweise auch der Künstlerin. Der Aneignungsprozess, hier sollte man einerseits von der Theorie des Franzosen Roland Barthes ausgehen, der von der Erfahrung des “punktum“ spricht, jenem Moment der Faszination an den fremden Bildern, wo unsere Phantasie das Bild in Besitz nimmt, - zum anderem soll nicht unerwähnt bleiben, dass dieser Akt der Aneignung wesentlicher Teil der Strategie vieler zeitgenössischer Künstler wurde. Andy Warhol ist das beste Beispiel, er, der öffentliche Bilder als Vorlagen für eine mediale Veränderung benutzt hatte. Corinna Mayer privatisiert die Bilder, die ihr begegnen und von denen sie einige auf der letzten Umschlagseite vorführt. Dem Betrachter mag es gelingen Motivvergleiche anzustellen, wenn er etwa, nur um ein Beispiel anzuführen, ein aus einer Art Blütenkelch aufsteigendes Paar, der Mann mit offenen Augen, sie mit geschlossenen, mit einer Postkarte von zwei Hollywoodstars zu Deckung bringen kann. Eine Fundgrube erotischer Akte war für sie die Sammlung Scheid aber auch Bilder von Diane Arbus bis Wilhelm von Gloeden. Frauendarstellungen dominieren, aber auch Zustände der Zweisamkeit faszinieren sie, von einer klassischen Adam und Eva Paraphrase spielt Corinna Mayer hier fast enzyklopädisch viele Möglichkeiten der Zweisamkeit (als Glück?) durch, von den eineiigen Zwillingen zu einer Chagallparaphrase eines fliegenden Liebespaares, von der Mutter-Kindverbindung zu Mensch-Tier Kombinationen, von gesellschaftsfähigen Duos zu transgressiven Bildern der zweisamen Lust. Die Figuren, wenn sie einzeln auftauchen, werden nicht selten in einen gegenständlichen, Silhouettenhaften Rahmen gestellt, der die Figur gegen den Hintergrund ausschneidet; das können Blütenformen mit der Brust ähnlichen Ausrichtungen sein, aber auch ein Boot, aus dem die Figur aufsteigt, eine Mischung aus Kelch und Ballon oder eine Art Handtasche, in der man einen weiblichen Akt mit sich führen könnte. Man muss nicht die Vorlagen kennen, von denen die Künstlerin ausgeht, es genügt die Folge der Themen zu registrieren, den Prozess der Veränderung, auch wenn sie ihre Palette vom Schwarz-Weiß der Zeichnung abgehend in ein unwirkliches rotes und blaues Licht (offensichtlich ihre Lieblingsfarben) eintaucht. Obwohl Corinna Mayer die fremden Bilder wie ein Vampir in Beschlag nimmt, rühren diese verwandelten Motive an, strahlen sie eine Unruhe aus, so ruhig sie sich geben. Sie dokumentieren die emotionale, von Sehnsucht nach Nähe getriebene Leidenschaft ihrer Produzentin. Ein amerikanischer Freund hat die Zeichnungen, als er sie das erste Mal sah, mit dem englischen Begriff “intriguing“ umschrieben. Kein Begriff kann sie besser charakterisieren als dieser.

Peter Weiermair 2009